Streit um den Nationalpark Ostsee

Text und Foto: Jan Goedelt / www.natur-linse.de

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium erwägt die Errichtung eines Nationalparks Ostsee. Von Anfang an haben sich viele Gegner eines solchen Vorhabens positioniert und versucht, dieses Großschutzgebiet mit ganz unterschiedlichen Argumenten zu verhindern. Aber auch die Pläne zum Ostsee-Nationalpark sind kritikwürdig. Dies wirft die Frage auf, ob in Deutschland überhaupt ein ausreichendes Interesse am Schutz der Artenvielfalt und der Natur im Ganzen besteht.

Die Landesregierung Schleswig-Holstein lässt durch das Umweltministerium die Errichtung eines Nationalparks Ostsee überprüfen, denn dieses Binnenmeer ist ein einzigartiger, fragiler Lebensraum, dessen aktueller Zustand leider als schlecht bezeichnet werden muss. Die Besonderheiten der Ostsee liegen beispielsweise in dem von West nach Ost abfallenden Salzgehalt, sodass sich innerhalb der Ostsee ganz unterschiedliche und – teilweise durch die FFH-Richtlinie – geschützte Biotope wie Bestände von Großalgen, Seegraswiesen und Riffe in ihrer Artenzusammensetzung unterscheiden. Diese Lebensräume beherbergen verschiedenste Tier- sowie Pflanzengemeinschaften und erfüllen somit eine zentrale Rolle für den Erhalt der marinen Artenvielfalt.
Die Seegrasbestände dienen als Ablaichort für verschiedene Fischarten sowie als Kinderstube für Jungfische, die wiederum Nahrungsgrundlage für Vogelarten wie Gänse- und Mittelsäger oder Küsten- und Zwergseeschwalbe sind. Ebenso bedeutend sind die Windwattbereiche, die bei bestimmten Windrichtungen und -stärken trockenfallen und so wichtige Nahrungsräume für rastende und überwinternde Watvögel wie Austernfischer, Brachvogel, Pfuhlschnepfe, Alpenstrandläufer und Sandregenpfeifer freigeben. Als schützenswerte Arten der westlichen Ostsee gelten etwa Schweinswal, Seehund und Kegelrobbe oder die, oft in großen, gemischten Trupps überwinternden Meeresenten, darunter Eis-, Eider-, Samt und Trauerente.
Die Gefährdungen für die Ostsee sind vielfältig: Es findet ein hoher Nährstoffzufluss sowie ein Eintrag an Schadstoffen und Müll statt. Viele Riffe wurden insbesondere durch die Steinfischerei massiv beeinträchtigt – die Bestände etwa von Hering und Dorsch sind deutlich überfischt, der Meeresboden durch die Schleppnetzfischerei stark beschädigt. Es besteht außerdem eine hohe Belastung durch Munitionsaltlasten und Unterwasserlärm. Durch den Klimawandel und die steigenden Temperaturen wachsen darüber hinaus vermehrt Algen.
Auch die starke Nutzung der Ostsee durch den Schiffsverkehr und Freizeitsportler führt zu häufigen Störungen rastender und überwinternder Meeresenten, Seetaucher, Alken und Watvögel. So liegt einer der wesentlichen Gründe für den schlechten Zustand der Tierarten und Lebensräume im Fehlen von Rückzugsmöglichkeiten und Ruhebereichen vor von Menschen verursachten Störungen und Einflüssen.

Für die Zwergseeschwalbe wäre eine Erweiterung der Schutzflächen am Strand extrem wichtig.

Für die Zwergseeschwalbe wäre eine Erweiterung der Schutzflächen am Strand extrem wichtig.

Umfassender Schutz
Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die Ostsee hinreichend vor diesen Einflüssen zu schützen, sodass die Errichtung eines Nationalparks als ein großflächiges Schutzgebiet eine gute Möglichkeit für einen wirksamen und nachhaltigen Schutz – auch für nachfolgende Generationen – wäre. Es könnten durch die Errichtung eines Nationalparks ökologisch besonders wertvolle Bereiche gezielt vor menschlichen Eingriffen und vor Umweltverschmutzung bewahrt werden, sodass wieder ausreichend Raum für ganzheitliche Naturprozesse vorhanden wäre. Für einen Ostsee-Nationalpark bedeutete dies, dass bestimmte Flächen als Schutzgebiet definiert werden würden. Hierzu hat die Landesregierung einen Vorschlag für Gebiete erarbeitet, die aus naturschutzfachlichen Gründen für einen Ostsee-Nationalpark infrage kommen könnten.

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