Text & Foto: Jan Goedelt – natur-linse.de
Der Klimawandel hat für die europäische Vogelwelt vielfältige Folgen: Er gilt als eine wichtige Ursache für Veränderungen des Vogelzugs als auch für die Verschiebung von Verbreitungsgebieten. Nach intensiven wissenschaftlichen Untersuchungen zu einer verfrühten Ankunft in den Brutgebieten ist nun die Frage in den Mittelpunkt gerückt, ob und inwieweit der Klimawandel zusammen mit anderen Ursachen gegenwärtig und zukünftig zu Brutarealverschiebungen führen kann. Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung hat hierzu die Verbreitungsgebiete von mehr als 370 europäischen Brutvogelarten näher betrachtet. Das Ergebnis dieser Untersuchungen liegt nun vor.
Die Klimaerwärmung hat erhebliche Auswirkungen auf die europäische Vogelwelt: Zahlreiche Zugvögel kommen bis zu drei Wochen früher aus ihren Überwinterungsgebieten zurück als noch vor rund 60 Jahren. Dieser Trend lässt sich für Kurz-, Mittel- und Langstreckenzieher gleichermaßen beobachten. Der Rückkehrzeitpunkt fällt je nach Art unterschiedlich aus: So hat sich die Heimzugszeit beim Grauschnäpper um elf Tage verschoben, bei der Klappergrasmücke, dem Zilpzalp sowie der Waldschnepfe sind es rund zwei Wochen und bei der Mönchsgrasmücke sogar fast 17 Tage. Die Abzugszeit hat sich bei den meisten Vogelarten nicht verändert, und die wenigen früheren und späteren Termine halten sich die Waage.
Gleichzeitig verändert der Klimawandel auch die Bedingungen für die Vögel während des Zugs nach Norden: In Südwesteuropa wird es im Frühjahr beispielsweise zunehmend heißer und trockener, sodass der Klimawandel in diesen Gebieten erhebliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Lebensräumen und Nahrung für die Transsaharazieher nach sich zieht, denn nach dem Überfliegen der Sahara benötigen die Vögel für den Weiterzug nach Nordeuropa einen Energieschub.
Rascher Heimzug
Es verdichten sich die Hinweise, dass die Niederschlagsmenge im Mittelmeerraum, welche zeitlich deutlich vor der Ankunft der Zugvögel die dortige Vegetation beeinflusst, ebenfalls über das Angebot an Insekten während der Rast entscheidet. Vögel, die über Südwesteuropa ziehen, reagieren auf zurückgehende Niederschlagsmengen und damit auf ein geringeres Beuteangebot, indem sie dort nur sehr kurz verweilen und sogleich weiter nordwärts ziehen, wo sie bessere Nahrungsbedingungen vorfinden. Dies beschleunigt wiederum den Heimzug und bestimmt die heute frühere Ankunft vieler Zugvögel in Mittel- und Nordeuropa.
Die klimatischen Veränderungen führen aber auch dazu, dass der Anteil der bei uns überwinternden Arten zugenommen hat, darunter Amseln, Rotmilane, Zilpzalpe, Hausrotschwänze und Kraniche. Andere Arten bevorzugen mittlerweile nördlichere Überwinterungsgebiete. Ein Teil der mitteleuropäischen Population der Mönchsgrasmücke zieht etwa nicht mehr in den Mittelmeerraum und das nördliche Afrika, sondern auf die Britischen Inseln. Doch auch einige Langstreckenzieher haben sich angepasst; so überwintern Mauersegler, Rauch- und Mehlschwalbe, Weißstörche und Schwarzmilane bereits in großer Anzahl im Mittelmeerraum oder in Südspanien, anstatt weiter nach Afrika zu fliegen.