Mehr als eine Tierklinik

Eine Verletzung wie ein gebrochener Flügel bedeutet für einen Vogel meist den Tod, wenn das Tier nicht rechtzeitig gefunden und medizinisch versorgt wird. Doch selbst dann stehen die Chancen auf eine vollstän­dige Genesung und anschließende Wiederauswilderung nicht sonderlich hoch. Die Gründer der spanischen Naturschutzorganisation AMUS beschreiten hier erfolgreich neue Wege. Die medizinische Versorgung ist aber nur ein Aspekt ihres vielseitigen Engagements.

Von David Lindo

Großbritannien gilt gemeinhin als das Mutterland der Vogelbeobachtung. Dort gibt es über das Land verstreut zahlreiche Tierkliniken und Auffangstationen. In Deutschland ist die Situation ähnlich. Aber wie sieht die Versorgungslage für verletzte Wildtiere in anderen europäischen Ländern aus?
Die autonome spanische Provinz Extrema­dura im Südwesten des Landes grenzt an Portugal und ist weitgehend ländlich geprägt. Das Gebiet ist in zwei Verwaltungsdistrikte aufgeteilt: die Provinz Badajoz im Süden sowie die Provinz Cáceres im Norden.
Die Extremadura bietet zahlreichen Vogelarten Lebensraum, von der Großtrappe bis hin zum Weidensperling. Außerdem ist sie auf der Iberischen Halbinsel das größte und wichtigste Zuhause auf Zeit für Abertausende Zugvögel, die hier den Winter verbringen oder auf ihrem Zug von und nach Afrika neue Kräfte tanken.
Ein Blick Richtung Himmel genügt und die Silhouette mindestens eines Greifvogels erscheint. Oft sind es auch Gruppen großer Vögel, die sich mit ihren ausgebreiteten langen Schwingen elegant in die Höhe schrauben oder auch einmal zügig dahinziehen. Die Extremadura ist die Heimat von über 3.000 Gänsegeierpaaren. Mit etwa 900 Paaren des weltweit bedrohten Mönchsgeiers lebt hier die größte Population – Tendenz steigend. Man sagt sogar, dass es in diesem Teil der Erde mehr Geier gäbe als in Indien. Kein Wunder, dass die Extremadura für viele Vogelbeobachter ein Sehnsuchtsort ist, an den sie immer wieder zurückkehren (siehe VÖGEL 3/2022).

Amus Wildlife Recovery Center, Extremadura, Spanien. Foto: Sergio Pitamitz
Physiotherapie ist ein wichtiger Teil des Genesungsprozesses. Foto: Sergio Pitamitz

Nur zwei Stationen

Was aber geschieht, wenn irgendwo in diesem weiten Land ein verletzter Vogel gefunden wird? Es gibt nur zwei Auffangstationen in der gesamten Extremadura – einer Fläche in der Größe der Schweiz. Das Zentrum in der Provinz Cáceres ist eine staatliche Einrichtung und sollte ursprünglich die gesamte Region versorgen. In der Provinz Badajoz nahe der Kleinstadt Villafranca de los Barros befindet sich die Wildtierstation der Naturschutzorganisation AMUS (Acción por el Mundo Salvaje). Dank der reichhaltigen Fauna des Gebietes ist es kein Wunder, dass die Helferinnen und Helfer dort sehr beschäftigt sind. Weit über 1.000 Patienten werden hier jährlich eingeliefert – der Großteil in den Sommermonaten.

Ein gebrochener Flügel

Einer dieser Patienten ist ein verletzter Schwarzmilan, Opfer einer Kollision. Der Vogel liegt gerade auf dem Behandlungstisch und soll eine Flügelmassage mit anschließender Wärmebehandlung zur Entspannung der Muskulatur bekommen. Über eine Gesichtsmaske erhält er ein Anästhetikum. Sein Körper entspannt sich zusehends als das Gas zu wirken beginnt. Die Tierärztin und ihr Assistent beginnen nun sanft den bandagierten gebrochenen Flügel zu massieren. Die Veterinärin erklärt, dass ein Metallstift im Oberarmknochen die Knochen zusammenhält, bis sie wieder zusammengewachsen sind. Die Muskulatur muss in der Zwischenzeit manuell stimuliert werden, bis der Vogel wieder kräftig genug ist und selbstständig seine Flügel trainieren kann. Sie hofft, dass der Metallstift nach etwa 21 Tagen entfernt und der Milan, wenn alles gut verheilt ist, bald wieder ausgewildert werden kann.

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