Energiewende um jeden Preis?

Text & Foto: Sebastian Conradt

Offshore-Windparks bieten ein großes Potenzial
für die fossilfreie Energieversorgung der Zukunft, sie verändern aber auch den Lebensraum von Seevögeln. Der Ausbau darf nicht am Natur- und
Artenschutz vorbei passieren.

Viel zu lange hat Deutschland in den Bereichen Mobilität, Gebäudeheizung und Stromversorgung auf die Nutzung fossiler Energieträger gesetzt. Viel zu lange schon werden hierzulande wie weltweit Kohle, Gas und Öl verbrannt und gigatonnenweise CO2 in die Luft gejagt – obwohl dessen klimaschädliche Auswirkungen bereits seit den 1970er-Jahren bekannt sind. Jetzt hat der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine die Lage auch politisch und ökonomisch verschärft. Insofern ist es konsequent und richtig, wenn Bundes- und Landesregierungen inzwischen hart gegensteuern und die erneuerbaren Energien mit hoher Geschwindigkeit vorantreiben, unter anderem durch den Ausbau der Windenergie, und dies auch auf dem offenen Meer.
So kündigten die acht Anrainerstaaten der Nordsee auf einem Gipfel im April dieses Jahres an, die Nutzung von Offshore-Windenergie massiv steigern zu wollen und das Meer so zum grünen Kraftwerk Europas zu machen. Gemeinsam will man die Leistung von derzeit 30 Gigawatt bis 2030 auf 120 Gigawatt und bis 2050 auf mindestens 300 Gigawatt steigern. Allein Deutschland plant dabei, 20 Prozent seiner ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee für die Offshore-Windenergie zu reservieren und seine installierte Windkraftleistung auf See von aktuell acht Gigawatt bis 2030 noch einmal beschleunigt auf mindestens 30 Gigawatt und bis 2045 auf mindestens 70 Gigawatt zu steigern. 2016 lag das Ausbauziel für das Jahr 2030 noch bei 15 Gigawatt. Das bedeutet eine rasante Vervielfachung der bereits jetzt mit Windparks bebauten Flächen. „Das Potenzial, das wir in der Nordsee in Bezug auf Offshore-Wind haben, ist enorm“, so Fatih Birol, Exekutivdirektor der Inter­nationalen Energieagentur (IEA). „Es ist die beste Offshore-Windkraft der Welt. Und der Strom, den wir produzieren können, reicht aus, um den derzeitigen europäischen Bedarf sechsmal zu decken“, erläutert Birol weiter. Da die Nordsee ein vergleichsweise flaches Schelfmeer ist, können Turbinen relativ einfach und in großer Zahl installiert werden.
Bei aller Aufbruchstimmung darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Meere und Ozeane der Erde keineswegs leere Räume sind, deren wirtschaftliche Ausbeutung ohne Folgen wäre, nur weil sich ihre Weite der menschlichen Wahrnehmung weitgehend entzieht. Verschiedene Tiere haben sich die marinen Gewässer als Lebensraum erobert, unter der Oberfläche vor allem Fische und Meeressäuger, über dem Meeresspiegel insbesondere Seevögel.

Mehr dazu im aktuellen Heft 05-2023..