Vogel des Jahres 2023

Knapp 135.000 Menschen beteiligten sich an der Wahl zum „Vogel des Jahres 2023“. Das kleine Braunkehlchen erhielt 43,5 Prozent der Stimmen und setzte sich klar gegen den Feldsperling, den Neuntöter, den Trauerschnäpper und das Teichhuhn durch. Damit wurde nach dem Wiedehopf erneut ein Zugvogel in Abwesenheit gekürt und unter den fünf Kandidaten die seltenste und am stärksten gefährdete Art.

Text: Stefan Bosch, Fotos: AdobeStock.com/Agami

Das 12 bis 14 Zentimeter große Braunkehlchen verdankt seinen Namen der braun-orangen Brust und Kehle. Wegen des weißen Gesichtsbandes wird es auch „Wiesenclown“ genannt. Sein Lebensraum sind feuchte Wiesen, Brachen und Feldränder. Dort ernährt es sich von Insekten, Spinnen und Würmern, die es am Boden oder in teils akrobatischen Jagd- und Rüttelflügen erbeutet. Im Herbst stehen auch Beeren auf dem Speiseplan. Den Winter verbringen Braunkehlchen südlich der Sahara, einige auch „nur“ in Nordafrika und Spanien.

Kennzeichnend für die Männchen (rechts) ist der weiße Überaugenstreif, der dunkle Kopf sowie die orangefarbene Brust und Kehle. Die Kopfseiten der Weibchen (links) sind hellbraun, der Überaugenstreifen cremeweiß.
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Verbreitung in Deutschland

In Deutschland kommen sie am häufigsten im Osten und Nordosten vor. Es gibt noch 19.500 bis 35.000 Brutpaare, Tendenz stark fallend. Denn Braunkehlchen vereinen eine unglückliche Kombination, die heute das Überleben schwer machen: Es ist ein Langstreckenzieher, Insektenfresser, Feldvogel und Lebensraumspezialist. 1987 trug das Braunkehlchen schon einmal den Titel. Bereits damals warnte der Naturschutz, dass Landbewirtschaftung und Flächenverbrauch die Hauptprobleme sind und forderte ein Umlenken. Eine Trendwende blieb aus, mehr noch: Die Roten Listen werden immer länger. Zwischen 1987 und 2023 erlebten die Feldvögel auf den Agrarflächen Mitteleuropas einen dramatischen Niedergang. In weiten Teilen haben sich unsere Landschaften mit Flurbereinigung, Agrochemie und Großmaschinen tiefgreifend verändert, die „Monotonisierung des Grünlandes“ zugenommen und zahlreiche Tiere und Pflanzen die Existenzgrundlage verloren. Erst jüngst haben Botaniker auf dramatische Verluste bei der Wiesen- und Ackerrandflora hingewiesen. Noch 1951 schrieb Otto Kleinschmidt in seinem Singvogelbuch „Vorkommen: Allenthalben auf Wiesen“ – doch die sind heute umgebrochen, überdüngt, zu oft gemäht, überweidet und man baut gerne, ja schon sprichwörtlich „auf der grünen Wiese“. Dabei würden lediglich zehn Prozent natur­nahe Ackerränder und Brachen ausreichen, um vielen gefährdeten Vogelarten wie der Feldlerche, dem Rebhuhn und der Grauammer ein Überleben zu ermöglichen.

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