Seevogel des Jahres 2023

Die Brandseeschwalbe wurde zum „Seevogel des Jahres 2023“
gewählt, da sie in der Brutsaison 2022 von einer in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen Vogelgrippeepidemie betroffen war. In Nordwesteuropa starben Zigtausende Altvögel und deren Küken an dem hoch pathogenen Stamm H5N1. Diese dramatische Entwicklung war der Grund, weshalb die Art erneut zum Seevogel des Jahres ernannt wurde, obwohl ihr dieser Titel bereits 2015 zuerkannt worden war.

Text: Philipp Meister Foto: Jan Goedelt

Seit 2014 kürt der Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V. den „Seevogel des Jahres“, um auf die besonderen Bedrohungen der an das Meer gebundenen Arten hinzuweisen. Da Seevögel und ihre spezifischen Gefährdungen für viele Menschen fernab der Küste wenig greifbare Themen sind, rückt der „Seevogel des Jahres“ jeweils bestimmte Gefährdungen des Meeresökosystems, die eine ganze Gruppe von Seevögeln betreffen, in den Fokus. Die Auswahl der Arten macht auf ­Konflikte zwischen menschlicher Nutzung und Lebensraumansprüchen von Seevögeln aufmerksam, wie die Konkurrenz zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und äsenden Meeresgänsen an der Küste oder den Konflikt zwischen Strandtourismus und Strandbrütern. Andere Arten, etwa der Eissturmvogel, stehen durch ihre Bestandsrückgänge für die Auswirkungen von Müll und Fischerei, die Flussseeschwalbe für die Folgen des Meeresspiegelanstiegs oder Eis-und Eiderente für die Auswirkungen der Meereserwärmung auf die Nahrungsverfügbarkeit. Selten sind es einzelne Faktoren, die zum Rückgang einer Population führen. In der Regel wirken verschiedene Umweltfaktoren in unterschiedlicher Intensität, was die Komplexität der Schutzbemühungen für Seevögel widerspiegelt.

Brandseeschwalben brüten in Kolonien, die mehrere Tausend Paare umfassen können. Foto: Philipp Meister


Verschiedene Entwicklungen
Dies zeigt sich eindrücklich am Beispiel der Brandseeschwalbe, auf der ein besonderes Augenmerk des Naturschutzes liegt, da diesem Seevogel verschiedene Umweltfaktoren bereits stark zusetzen. Neben Störungen durch den Menschen und den Einfluss von Prädatoren zählen hierzu die industrielle Überfischung und vor allem die Folgen des Klimawandels, die sich im Brutlebensraum bemerkbar machen. An der Nordseeküste haben die Häufigkeiten und Intensitäten der als „Kükenfluten“ bezeichneten Sturmfluten während der Brutzeit in den letzten Jahren zugenommen, wodurch es regelmäßig zu Verlusten von Gelegen und Jungvögeln kommt. Zudem können veränderte Wasser­temperaturen und Strömungsverhältnisse das zeitliche Auftreten von Nahrungsfischen im Umfeld der Brut­kolonien beeinflussen.
Die erneute Benennung der Brandseeschwalbe als Seevogel des Jahres verdeutlicht, wie stark die Art aktuell durch die Vogelgrippe gefährdet ist. In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands befindet sich die Brandseeschwalbe in der Kategorie „vom Aussterben bedroht“. Die über 10.000 bei uns brütenden Paare verteilen sich auf nur wenige Koloniestandorte in der Nord- und Ostsee. Brandseeschwalben nisten auf der Hallig Norderoog, auf Baltrum, Langeoog, Neuwerk und Minsener Oog im Wattenmeer sowie auf der Barther Oie bei Zingst und der Insel Langenwerder in der Ostsee. Fast alle Brutvorkommen der Art liegen in ­Schutzgebieten, die aufgrund ihrer Insellage für Prädatoren nur unter erschwerten Bedingungen erreichbar sind, und in denen eingeschränkte Betretungsmöglichkeiten Schutz vor menschlichen Störungen bieten.

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