Wem gehört das Meer?

Text & Foto: Sebastian Conradt

Klima- und Naturschutz stehen mitunter im Widerstreit, etwa beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Die zunehmende Anzahl riesiger Turbinenfelder beschneidet Meeresvögeln den Lebensraum und beengt ihn teilweise auf nur noch schmale Korridore. Eine neue Sensitivitätskarte für Seevögel in der Deutschen Bucht zeigt auf, wo die Installation von Windrädern auf hoher See tolerabel erscheint und welche Bereiche zum Schutz der gefährdeten Arten unbedingt unberührt bleiben müssen.

Stellen wir uns einen Basstölpel vor, der über die Nordsee fliegt. Sagen wir, er kommt von den Shetlandinseln und zieht in einem großen Bogen südwärts zum Bass Rock, zu der größten Kolonie seiner Art weltweit. Doch er zieht weiter über die Doggerbank hinweg, passiert die Mündung des Ärmelkanals sowie die friesischen Inseln, bis er Helgoland erreicht, seine einzige deutsche Brutkolonie. Von dort aus fliegt er in den Norden zurück, zunächst an der jütländischen Küste entlang, über das Skagerrak und schließlich bis nach Norwegen, wo die Nordsee auf Höhe der Stadt Bergen endet.
Welche Eindrücke dieser Meereslandschaft mag der Basstölpel in seinem Gehirn speichern? Wie mag die Land- oder besser Seekarte aussehen, die sich in seinem Gedächtnis festschreibt? Während vor nur einem halben Jahrhundert noch überwiegend eine Wasserwüste das Bild bestimmt haben dürfte, so fragmentieren heute Schifffahrtsrouten (einschließlich Ölverschmutzung) und Fischereigebiete, Plattformen zur Öl- und Gasförderung sowie zunehmend gigantische Offshore-Windparks die Szenerie.


Rasanter Ausbau
Und diese Entwicklung ist längst nicht zu Ende. Vor zwei Jahren kündigten die acht Anrainerstaaten der Nordsee an, Offshore-Windenergieanlagen massiv ausbauen zu wollen und das Meer so zum vermeintlich grünen Kraftwerk Europas zu machen. Gemeinsam will man die Leistung von derzeit 30 Gigawatt bis 2030 auf 120 Gigawatt steigern. Bis 2050 sollen eine Verzehnfachung und somit mindestens 300 Gigawatt erreicht werden. Allein Deutschland plant, knapp ein Fünftel seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee für die Offshore-Windenergie zu reservieren und seine installierte Windkraftleistung von aktuell acht Gigawatt bis 2030 noch einmal beschleunigt auf mindestens 30 Gigawatt und bis 2045 auf mindestens 70 Gigawatt zu steigern. 2016 lag das Ausbauziel für 2030 noch bei 15 Gigawatt.

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