Ein besonderer See

Text & Foto: Thomas Kuppel

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Ein augenscheinlich ­uninteressantes Gebiet entpuppt sich als wahre Fundgrube für Raritäten und Sondergäste. Manchmal muss man nur die Augen aufmachen, sie zu entdecken.

Unmittelbar südlich der Bremer Landesgrenze liegt in der niedersächsischen Gemeinde Diepholz der mit der Weser verbundene Blaue Werder. Parallel zum Fluss und durch eine schmale Landzunge von diesem getrennt, verläuft er in Nordwest-Südost-Ausrichtung. Seine größte Länge beträgt etwa 800 Meter, die Breite 380 Meter. Seine Lage zwischen einer Autobahnbrücke und einer Eisenbahnbrücke sowie Gewerbegebieten deutet nicht darauf hin, dass es sich gerade hier besonders lohnen würde, viel Zeit mit dem Beobachten von Vögeln zu verbringen. Zudem finden diese mit dem Henkenwerder, der Alten Weser und dem Wieltsee stromaufwärts mehrere ähnlich große Baggerseen mit Weserzufluss vor.
Der Blaue Werder wird bereits auf Karten aus dem 17. Jahrhundert erwähnt, lange wurde dort Sandabbau betrieben. Inzwischen wurde der Abbau durch die Anlandung von Sand mit Binnenschiffen ersetzt. Die Sandentnahme brachte wiederholt Veränderungen der Uferlinie und -beschaffenheit mit sich, so bestand zu Beginn der 2000er-Jahre zeitweise ein strandähnlicher Schwemmfächer an der Halbinsel am Südwestufer. In diese Zeit fallen die meisten Beobachtungen der dort festgestellten Limikolen, darunter sechs Strandläuferarten, Steinwälzer und Kiebitzregenpfeifer. Auf der Halbinsel befinden sich bis heute ein gerne als Beobachtungspunkt genutzter Kieshügel sowie ein kleiner Teich. Tendenziell zunehmende Beeinträchtigungen der Vogelwelt gehen von Freizeitnutzungen wie Baden, Bootfahren, Angeln, Spazierengehen sowie Binnenschiffen aus.


Gelegentlicher Ruhm
Für Brutvögel ist das Gebiet zumindest aktuell von eher untergeordnetem Inter­esse. Eine wichtige Ausnahme stellen bis zu 80 Paare der Flussseeschwalbe dar, die auf einem für diese Art vom BUND Bremen ausgebrachten Floß brüten. Außerdem gibt es – zumindest unregelmäßig – Vorkommen des Eisvogels und der Uferschwalbe. Als ehemaliger Brutvogel ist neben Fluss- und Sandregenpfeifer die Beutelmeise erwähnenswert.
Seit etwa 1980 bin ich um die 2.000-mal in dem südlich der Weser gelegenen Teil des Gebietes zwischen dem Werdersee und dem Baggersee bei Ahausen unterwegs gewesen. Letztgenannter erlangte im Januar 1992 einen gewissen Ruhm, da dort zehn Tage lang ein junger Gelbschnabeltaucher rastete. Am Blauen Werder habe ich aber die meiste Zeit verbracht. Besonders zu Zugzeiten habe ich nicht selten mehrere Stunden am Stück vom Kieshügel aus nach Vögeln gesucht. Von hier aus lassen sich gut ­durchziehende sowie rastende Vögel beobachten. So konnte ich unter ihnen auch seltene Arten entdecken, die aufgrund der Lage und Störungsfrequenz des Sees nicht unbedingt erwartbar gewesen sind. Dieser Beharrlichkeit wegen war es mir aber immer wieder vergönnt, lokale und überregionale Raritäten beobachten zu können.

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